Ein Weg zur Lebensfreude

Selbstoptimierung richtig verstehen. Ein Erfahrungsbericht.

von Jan Markus Adams

“Erkenne dich selbst!” (Inschrift am Apollotempel von Delphi)

Nachdem ich mit dem Krafttraining begonnen hatte, nutzte ich einige Jahre lang die gängigen Fitness- und Bodybuildingmagazine um mein Wissen zu erweitern. Damit einher gingen unterschwellig auch gewisse Botschaften hinsichtlich ästhetischer Ideale. Diese wuchsen schleichend zu Glaubenssätzen heran, die sich in mir verankerten.

Vor zehn Jahren hatte diese Entwicklung ein Ausmaß angeommen, dass ich dachte um jeden Preis einen Waschbrettbauch haben zu müssen, wenn ich als Sportler etwas darstellen will. Der Preis, den ich dann gezahlt habe, waren eine Ernährung, durch die ich mir jegliche Freude am Essen verdorben habe und ein Training, das ich sklavisch bis zur Erschöpfung absloviert habe. Im Laufe der Zeit kam ein Burn-Out-Syndrom hinzu mit Schlafstörungen, dem allgegenwärtigen Gefühl neben mir zu stehen und, am allerschlimmsten, dem Verlust von Freude und Begeisterung fürs Training.

Mein Krafttraining absolvierte ich damals montags, mittwochs und freitags. Ich machte jeden Satz bis zum absoluten Muskelversagen und trainierte so intenisv bis ich keine Kraft mehr für Sit-ups hatte. Das war der Indikator für das Trainingsende.
Neben dem Krafttraining ging ich ein bis zweimal täglich laufen, legte sämtliche Wege mit dem Fahrrad zurück und ging montags bis freitags zum Grappling. Anschließend machte ich noch eine kurze Ausdauereinheit mit Schnorchel im Mund (um weniger Sauerstoff aufnehmen zu können). Und wenn ich darüberhinaus Zeit fand, traf ich mich mit Freunden zum Boxen.

Training galt für mich als Arbeit und war eine Pflicht geworden.

Der Weg zum hedonistischen Ansatz

“Wer nicht genießen kann, ist ungenießbar.”                   (Dr. Manfred Lütz)

Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass mir freitags die Motivation zum Krafttraining fehlte. Das merkte ich, weil es mir auf einmal unheimlich wichtig war aufzuräumen oder Staub zu saugen (ich trainierte immer Zuhause und konnte mich daher prima ablenken). Nach weiteren Wochen reichten diese Akte des Aufschiebens nicht mehr; mir fehlten aber Ausweichmöglichkeiten. Also setzte ich mich auf meine Hantelbank und starrte vor mich hin… bis ich irgendwann zu trainieren anfing. Das ging soweit, dass ich eine Stunde lang da saß und vor mich hinstarrte. Dann war mir klar, dass ich etwas ändern musste.

Oberflächlich betrachtet hatten zu hartes Training und freudloses Essverhalten dahin geführt. Allerdings waren das nur Symptome eines kruden Optimierungswahns. Ich hatte über viele Jahre hinweg gängige Glaubenssätze aus der Fitness- und Bodybuildingwelt verinnerlicht und war bestrebt diesen zu entsprechen. Ich dachte, mein Wert als Sportler steigt, wenn mein Körperfettanteil auf ein Minimum sinkt. Auf dem Weg dahin trainierte ich zuversichtlich nach den Ergebnissen irgendwelcher Studien oder nach Trainingsmethoden anderer Sportler, die für das Erreichen ihrer Ziele entwickelt worden waren.

Da mir das damals nicht bewusst war, hatte ich mich immer weiter von mir entfremdet und eine Lebensführung angeeignet, die meinen körperlichen und geistigen Bedürfnissen zutiefst widerstrebte, statt sie zu erfüllen.

Wie ernst die Lage damals war, erkenne ich jetzt daran, dass ich erst feststellte, dass etwas schief lief, nachdem ich keine Energie mehr zum Trainieren hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sämtliche Symptome eines Burn-Out-Syndroms bereits festgestellt.

Und bewusst ignoriert.

Die Lust am Training kehrt zurück

Nachdem ich einige Jahre übermäßig viel trainiert hatte, machte ich einen radikalen Schnitt und trainierte gar nicht mehr. Ich fiel von einem Extrem ins andere. Allerdings nur zwei Wochen lang.

In diesen zwei Wochen hatte ich eifrig andere Freizeitaktivitäten ausprobiert und war zu dem Schluß gekommen, dass mir das Training als solches die wichtigste Aktivität war, da es das größte Potential zum Lustgewinn besaß und ich vollkommen autark agieren konnte. Ich musste es bloß sinnvoll strukturieren.
Seitdem habe ich meine Einstellung zum Training dahingegehend verändert, dass es Spaß machen soll. Ich will mich vorher drauf freuen können, es währenddessen genießen und anschließend zufrieden darauf zurückblicken. Training ist nicht länger ein Mittel zu dem Zweck vermeintliche Unzulänglichkeiten auszumerzen. Nun ist Training Selbstzweck und sowohl Quell der Freude als auch Ausdrucksmittel meiner Lebensfreude.

Meine Ziele entwickeln sich nun in mir und gründen auf Neugier, was ich noch alles entdecken könnte, sowie der Begeisterung für das reine Erleben.

Den Flow genießen

“Falls die Musen erscheinen sollten, ist es besser, wenn sie dich bei der Arbeit antreffen.” (Pablo Picasso)

Eine sichtbare Bauchmuskulatur hatte mich nicht mit Glück erfüllt. Ich hatte immer nur gesehen, was ich noch an mir verändern müsste um meinem vermeintlichen Ideal zu entsprechen. Bis ich dann erkannt habe, dass dieses Ideal nicht meines ist, sondern ein Äußeres, das aufgrund von Selbstzweifeln und innerer Unzufriedenheit in mir reifen konnte. Ich hatte mich als Sportler als unzulänglich und defizitär wahrgenommen und geglaubt den optischen Anforderungen der Außenwelt entsprechen zu müssen um Anerkennung erhalten zu können.

Dann habe ich erlebt, dass ich eigene Maßstäbe setzen muss, wenn ich mein eigenes Leben leben will. Bewegung ist dabei ein elementares Medium zum Fühlen meiner Lebensfreude und ganz besonders das Krafttraining.

Im Laufe der Zeit konnte ich mein Training immer besser so gestalten, dass ich in einen tranceähnlichen Zustand komme. Während meines Trainings bin ich im Hier und Jetzt. Mein Körper macht Übungen, mein Geist ist frei und kann die Gedanken fließen lassen statt sie festzuhalten. Ich spüre den Atem, ich spüre Bewegung, ich spüre das Leben in mir.

Anstrengung, Freude, Schmerz lösen sich auf zugunsten eines Empfindens reiner Schaffenskraft. Der Flow, den das Training auslöst, fühlt sich an wie ein kreativer Akt, durch den alles möglich ist.

“Meine Mutter sagte, wenn ich Soldat werde, würde ich Offizier werden; wenn ich Mönch werde, würde ich Abt werden. Aber ich bin Maler geworden und so wurde ich Picasso.” (Pablo Picasso)

 

La dolce vita

“Das Dasein ist köstlich. Man muss nur den Mut haben sein eigenes Leben zu führen.” (Giacomo Casanova)

Wenn man meinen Alltag von vor zehn Jahren im Hinblick auf die Gewichtung des Trainings mit dem heutigen vergleicht, würden kaum Veränderungen deutlich werden. Training ist noch immer meine wichtigste Tätigkeit und ich lege noch immer Wert auf meine Ernährung.

Meine Beweggründe hinter dem Verhalten haben sich jeodch gewandelt. Ich hatte zunächst festgestellt, dass es mir umso besser geht, je mehr ich trainiere. Dafür musste ich zunächst meine Kalorienzufuhr drastisch erhöhen, um genügend Energie zu haben. Dadurch ist der vormals so wichtige Waschbrettbauch sehr schnell in weite Ferne gerückt. Da ich beim Betrachten meiner Bauchmuskulatur jedoch nie ein Gefühl tiefen Glücks verspürt hatte, war das hinfällig. Nun konnte ich endlich die Erfahrung machen, nach Lust und Laune zu trainieren, mit Methoden, Hanteln, Baumstämmen herumzuspielen und Spaß zu haben. Das Loslassen äußerer Motivationsfaktoren hatte mir ein ungeahntes Maß an Freiheit beschert.

Im Lauf der letzten Jahre habe ich mich immer mehr auf das indische Trainingskonzept Vyayam eingelassen. Dadurch wurde meine Sichtweise auf Training und Ernährung komplett verändert. Und das auf eine Art und Weise, die ich früher nicht für möglich gehalten habe.

Ich geniesse nun jedes einzelne Training, erfreue mich am Flow, erlebe Leichtigkeit bei größter Anstrengung, Freiheit im Alltag, sowie Begeisterung und Neugier für das was noch kommen mag.

Und darin werde ich immer besser!

” Was immer du tun kannst, oder träumst es tun zu können, fang damit an! Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich!” (Johann Wolfgang von Goethe)

 

 

 

 

 

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